Nienburg. Für das von ihr entwickelte Programm „eyesyde“ ist die isyde Informationstechnik GmbH als Sieger im bundesweiten Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet worden. Zu den ersten Gratulanten gehörte Landrat Detlev Kohlmeier. Gleichzeitig sind neben Medizinern auch andere Branchen auf die Kreis-Nienburger Softwareentwickler aufmerksam geworden – beispielsweise die Passagierschifffahrt.
Das von isyde-Mitarbeiterin Anna Scholz entwickelte Tool erlaubt es, Computerprogramme, Fotos, Pläne und Ähnliches quasi mit den Augen eines Farbfehlsichtigen zu sehen: Ein Prozent der Frauen und immerhin zehn Prozent der Männer können bestimmte Farben nicht erkennen, und häufig gilt das gerade für die Signalfarben Rot und Grün.
Die gibt es reichlich nicht nur am heimischen Bildschirm oder bei der Arbeit, sondern eben auch zum Beispiel auf Fluchtplänen. Die Bilder der gekenterten Costa Concordia hat jeder noch vor Augen. So sicher moderne Schiffe sind – menschliches Versagen bleibt ein Risiko. Vor diesem Hintergrund hatte eine namhafte Reederei isyde-Geschäftsführer Thomas Friebe gebeten, sich einmal die Evakuierungspläne ihrer Kreuzfahrtschiffe anzuschauen. Ergebnis: „Die Pläne an den Wänden der Kabinengänge und an den Sammelpunkten der Decks waren in grün beziehungsweise rot gehalten. Farbfehlsichtige können Wichtiges auf diesen Plänen kaum erkennen, vor allem nicht im Gedränge oder wenn es schnell gehen muss.“
Das von Anna Scholz im Rahmen ihrer Ausbildung entwickelte Programm verdeutlicht diese Defizite auch Menschen, die normal sehen können. Das wiederum erlaubt effektive Lösungen – beispielsweise mit Symbolen. Ähnliche Programme nehmen in der Regel nur einen Farbkanal aus dem jeweiligen Bild. Das hilft in der Praxis aber kaum weiter, weil das menschliche Auge nicht so simpel funktioniert. Scholz‘ Tool fußt auf hoch komplexen Algorithmen auf der Grundlage US-amerikanischer Forschungen. Rund zwei Jahre hat sie daran gearbeitet. Landrat Kohlmeier dankte Anna Scholz für ihre Leistung („Sie haben diese Auszeichnung hier hergeholt“).
Zu den Kunden der Softwareentwickler gehören nicht nur Ministerien und große Betriebe; aktuell entwickeln die Balger gerade eine Software für rund 7000 mittelständische Praxen. „eye.syde“ steht jedem, der es gebrauchen kann, kostenlos zur Verfügung. Geschäftsführer Friebe verweist auf die „Verordnung über die Barrierefreiheit in der IT-Technik“, betont aber auch, dass die möglichst problemlose Nutzung moderner Medien für sein Haus ein Anliegen sei: „eye.syde ist ein Beitrag zur Barrierefreiheit. Den Wenigsten ist klar, wie viele Menschen betroffen sind und wie sich Fehlsichtigkeiten auswirken können.“
Für die WIN, die in Person von Monika Herrmann an dem Treffen im Kreishaus teilnahm, war vor allem die Frage interessant, wie heimische Spitzenunternehmen, die spezielle Software benötigen, schnell auf isyde zugreifen könnten. isyde-Geschäftsführer Thomas Friebe sagte, für die Entwicklung der Wirtschaftsregion Mittelweser könne eine bessere Vernetzung spezialisierter Unternehmen hilfreich sein.